Deutschsprachige lyrische, gelungene Verse in Hülshoff, Storm, Fontane bis zu Uwe Lammla
Abstract
The following article
wants to pin out the development of the German lyric language across centuries
by taking under scrutiny a few poems by various remarkable writers such as
Hülshoff, Storm, Fontane and to stretch the observation up to the current
millennium especially the written, lyrical material of Uwe Lammla, mit seinem
,,Rennsteiglied”. The aim is to discover how far or to what an extent the
language has gained in expressivity and musicality across centuries and to see
how it has grown richer and more colorful. Thus, certain words are being analyzed
and discussed as to their overall contribution to the whole picture or the
conveyed image in the poems under debate. Various expressions and metaphoric
extensions are pinned out as to their actual usage and their importance in
daily speech.
Im folgenden Artikel bestrebe ich
verschiedene Phraseologismen in Gedichten hevorzuheben, bzw. Metaphern, die die
Entwicklung der deutschen Sprache vorantreiben, zu beleuchten. Dazu entschied
ich mich auf folgende Gedichten Akzent zu setzen: ,,Die Vergeltung“ von Annete
Dröste Hülshoff, ,,John Maynard“ von Fontane und ,,die Regentrude“ von Theodor
Storm. Als Spannungsbogen begleiche ich sie mit der postmodernen Lyrik von Uwe
Lammla, ,,Rennsteiglied“.
Im Gedicht ,,Die Vergeltung“ ist der Kranke am Verdecke ein
ausschlaggebendes Bild und der Vergleich des Narwals ( Zahnwal) mit dem Horne
steht als Metapher für den Piraten (der kranke Mann). Das klitzernde Kristall,
eine leuchtende Alliteration in dem schmückenden Beiwort belebt durch lautliche
Bilder die Stimmung der Verzweiflung und der Geschwindigkeit der sich
aufeinanderfolgenden Ereignisse. Im letzten Jahrhundert und sogar in der
Klassikzeitspanne kann man eine Auseinandersetzung mit Themen der Natur und
ihre Widrigkeiten bemerken, ein Thema das meistens sehr begabte und talentierte
Künstler wie Schiller und Goethe faszinierte. Es ist meistens so, dass Menschen
über die Natur siegen oder es ihnen gelingt einen Beitrag zum Schutze der Natur
zu leisten, wie es in dem bekannten Goethe Gedicht ,,Gefunden” geschieht. Die
Kommunizierung mit der Natur und der Umgebung bringt den Menschen ins
Gleichgewicht und verstärkt sein Selbstwertgefühl. Er fühlt sich nahe der Tier
und Pflanzenwelt. Dieser ist auch der Fall der Erzählung ,,Die Regentrude“, die
auflockernde und ermunternde lyrische Elemente aufweist. Es heißt so:
,,Dunst ist die Welle,
Staub ist die Quelle!
Stumm sind die Wälder,
Feuermann tanzet über die Felder!
Nimm dich in Acht!
Eh du erwacht,
holt dich die Mutter
heim in die Nacht!“ [1]
Staub ist die Quelle!
Stumm sind die Wälder,
Feuermann tanzet über die Felder!
Nimm dich in Acht!
Eh du erwacht,
holt dich die Mutter
heim in die Nacht!“ [1]
Es werden offensichtlich Metaphern verwendet wie:
Dunst und Welle, die beide für Wasser stehen und sich dabei zum leben und
freudebringenden Element, das Regen weiterentwickeln. Der Staub steht für den
Wind, der als Quelle für den Regen steht. Wenn der Wind stoppt kann der Regen
anfangen auf den Boden zu fallen. Der Feuermann tanzt vor Freude, dass er nicht
mehr gebraucht wird beim Feuerlöschen in dem Brand. ,,Nimm dich in Acht“ eine
schöne Redewendung, die im Gespräch verwendet wird, um auf sich selbst
aufzupassen und sich zu schonen. Maren wird bis zuletzt ihren herzenserwählten
Andrees heiraten, weil der Regen auf den Boden ihres Vaters auch gefallen ist.
John Maynard ist
auch den Gefahren der Natur bloßgestellt, erleidet Schiffbruch durch das
Anzünden eines Feuers und es gelingt ihm doch die Passagieren zu retten. Was
natürlich auch tragisch ist, ist die Tatsache, dass er sich selbst nicht mehr
retten kann. Täglich passieren Unfälle auf der See, so dass die Matrosen leicht
Opfer der widrigen Naturerscheinungen fallen, in diesem Fall das Feuer. Wie das
Feuer auf den Schiff gelangt ist und wer das Schiff auch angezündet hat, bleibt
höchstens fraglich:
,,Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
»Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
John Maynard.«” Nicht nur Theodor Fontane sondern
auch Droste-Hülshoff bespricht Seeerleiden, die schwer vom heutigen Leser nachvollzugt
werden können, weil sich die Ereignisse schnell ereignen und die Einzelheiten,
die zu einer wirklichen Verständisnahme führen könnten, ausgelassen werden. Der Korsar entkommt dem Wirbel, der auf dem
Schiff ensteht, aber nicht der Strafe, die meistens den Piraten zukam. Er soll
gehängt werden und bei seinem Tod bemerken, dass auf einem Pfahl ,,Batavia.
Fünfhundertzehn.” geschrieben stand. Was aber äußerst eigenartig ist, ist die
Wiederholung dieses obsessiven Schreibens am Anfang und am Ende der zwei Teilen
des neunstrophigen Gedichts. Der Balken an dem der Kranke fest umklammert steht
wird zum Dingsymbol der Ballade und als herausragender Gegenstand der Vergeltung,
denn der französiche Passagier ( Ausländer?) stirbt ironisch am Balken auf dem
die gleichen Worte geschrieben stehn. Er hat dem Kranken seine Hilfe verweigert
und wird willkürlich von einer höheren Macht bestraft. Nichtdestotrotz muss man
gestehen, dass die Aussage des Gedichts stark von der christlichen
Nächstenliebe und der Bestrafung des Böses geprägt ist. Das Blau des Äthers und
das malerische Geflimmer der See sind prägende, bildliche Metaphern der
Freiheit und der Unendlichkeit.
Das Gedicht endet auf einem heiteren Ton, der die Vollendung der
wohlverdienten Strafe verkündigt:
,,Er
hört das Summen im Gewühl -
Nun weiß er, daß des Himmels Walten
Nur seiner Pfaffen Gaukelspiel!“[3]
Nun weiß er, daß des Himmels Walten
Nur seiner Pfaffen Gaukelspiel!“[3]
In dem ..Rennsteiglied“ von Uwe Lammla stoßt man auf feine Metaphern wie:
,,Kammweg“ [4]der für
einen verzweigten Weg steht. In ,,Wer
auf solcher Höhe fährt “ vernimmt man den Drang nach dem Absoluten. In den
Versen ,,ob schwarz , rot, gelb es bleibt dasselb“ empfindet man den Ausdruck
des Strebens nach keinem Reichtum und Macht
sondern nur nach Gleichgewicht und Ruhe.
,, Unter blauen
Himmelsdom/Zeigt sich Gott auch ohne Rom.” [5]Das
göttlich geschaffene Reichtum ist allgegenwärtig.
,,Der Sonnenstrahl weiß keine Zahl,
Keine Glocke und kein Wecker,
Kein Gezeter, kein Gemecker,”[6] beschreibt die Umgebung, die als befriedigend
und aufmunternd wiedergegeben wird, weil es eine ausgesprochen tiefsinnige und
tiefwirkende Ruhe herrscht.
Uwe Lammla bestrebt auch eine unmittelbare Revolution der Sprache, indem er
zu sprachlichen Stilmitteln greift, wie in dem Satz: ,,kein Gezeter, kein
Gemecker”. Dadurch stellt er das sich eingebildete Bild in einem neuen Licht. Und dadurch wird auch
der Zugang zu einem von ihm erfundenen Wort
ermöglicht:,, wieselflink“. Das Wort existiert tatsächlich in einem
Wörterbuch für idiomatische Sprüche aber immerhin zertrennt in Adjektiv und
Substantiv. Das zusammengesetzte Nomen ,, Faltersaum” ist auch erfunden, aber
bleibt tatsächlich eine gelungene Komposition.
Die Benutzung des gehobenen Gebrauchs tritt
auch hervor und zwar in der Form von weniger in Gedichten angewandte
Wörter: ,, sich erfrechen“ oder ,,sich erdreisten“ . Das Wort gerade dem Teufel
zuzuschreiben bedeutet nicht, dass das Wort sich als minderwertig entfacht und
an Ausdruck verliert.
Der Vers,,Der Schrot schweigt vorm Automat“
enthält eine zusammengeschrumpfte Präposition, die in der Alltagssprache
in dieser Form nicht üblich ist. Die lezte Strophe ist ein Apell an die
Erneuerung und den Erhalt der deutschen Sprache, als eine Gabe von Gott.
,, Der Rennsteigblick verlacht den Trick/
Aller, die das Land betrügen/ Denn das Ohr findet sein Genügen, “ Das bedeutet, dass die deutsche Sprache
melodisch ist und das Ohr auch bezaubert.
Partizipformen wie ,, erfrecht“ benützt man heuer seltener als man
vielleicht sollte. Die Sprache hat viel Potenzial aus dem man schöpfen könnte,
womit man dann auch im epischen Bereich durchbrechen könnte. Obwohl das Gedicht
patriotisch ist, muss man dank des Paarreims und des jambischen Rhytmus
zugeben, dass es ein gelungenens Gedicht auf esthetischer Ebene ist. Wörter wie
„Pfaffe“, ,,Narwal“, ..Gauklerspiel“ u.a. werden womöglich auch weniger
verwendet, trotz der Übergreifung Lammlas an ihm.
,,Sich erfrechen” kann im Kontext von tapferen, mutigen Taten verwendet
werden und auch in einem Funktionsverbgefüge. ,,Sich erfrechen die Bann zu
erlösen” im Sinnne von eindringen, versuchen, einsteigen, könnte ein Vorschlag
für die lexikale Bereicherung der Sprache sein oder dann auch ,,sich erstehen
die Bann einzulösen” oder „,,sich erstehen das Wort einzunehmen“ als zu reden
beginnen.
Fontane fördert die Sprache, indem er etliche englische Wörter, bzw. Anglizismen zur Geltung kommen läßt: ,,John
Maynard”(Ort in Amerika), ,,Buffalo“ , ,,Passagier“ damit die Sprache auch
einen gewissen Rhytmus, bzw. Intonation erhält. Der Rheim ist Paarrheim und der
jambische Rhytmus wird durch eine gewisse Musikalität belebt. Es wird ein
lautliches, das Ohr erfreuliches musikalisches Bild hergestellt:
,,Alle Glocken
gehn; ihre Töne schwell'n
Himmelan aus
Kirchen und Kapell'n,
Ein Klingen und
Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur,
den sie heute hat:“[7]
Beim Tod des mutigen Steuermanns scheint die ganze Welt teilzunehmen, sogar
die Dinge werden aufgelebt durch das
Klingen der Glocken. Der Kontrast durch die kontrapunktuelle Technik ist aber
auch offensichtlich, weil beim Sterben jemand auch zu Ruhe kommen muss. Es muss
so sein, denn der tapfere Held hat wenigstens diese Genugtuung verdient. Auf
jeden Fall ist diese lautliche Stylistik eine der meist gelungenen in der
literarischen Geschichte deutscher Herkunft.
Auch Dröste-Hülshoffs Gedicht erfährt musikalische Vertiefungen und
Verankerungen in den Anfangsversen:
,,Das Schiff ächzt
auf der Wellen Höhn,
Gezisch, Geheul
aus wüstem Grunde,
Die Bohlen weichen
mit Gestöhn..“[8]
Man merkt hier
gleich das lautliche Strömen des Wortes ,,Gezisch”, das sehr viel an Lammlas
Wort ,,Gezeter“ erinnert, das sich auch aus diesem alten Wort entwickelt hat.
Das findet man auch in Storm unter der folgenden Aussage: ,,die glutheiße Luft
zitterte flirrend und blendend vor seinen Augen.“ [9]
Folglich kann man schließen, dass die deutsche Sprache sehr reich im
poetische Sinne ist, obwohl man manchmal auch die standardisierten Formen und
Schranken zu überlaufen vermag. Das ist
manchmal sehr hilfreich, wenn man Tabus brechen will und der inneren
Schöpfungsquelle freien Lauf lassen will.
Auch zusammengesetzte Wörter, wie zum Beispiel ,,angeben“ , das für
imponieren verwendet wird, könnten mit
,,prahlgeben“ als Ersatzwort in die neuere, deutsche Sprache durchbrechen. Ein
gelungenes Bild könnte dann sein anstatt zum Beispiel: »Aber
verzeiht! Ihr seid ja so schön und lustig jetzt![10]« könnte man »Aber verzeiht! Ihr seid ja so
schön prahlgeberisch jetzt!« verwenden.
Im
Bereich der Liebe könnte man auch viele, weitere Schöpfungen aufbringen um die
verschiedenen Konnotationen einzuleuchten: lieben bzw. belieben (für Dinge,
Tiere usw.) oder sogar anlieben für Gemälde, damit man einen klaren Unterschied
in den Gefühlen zu spüren kann, ohne Mißveständnisse und ohne das man dabei ein
unbehagliches Gefühl verspürt.
Immerhin,
die deutsche Sprache erlebt, wie schon vorher erwähnt eine tatsächliche
Revolution und Aufmunterung, in dem Sinne, dass viel alte Wörter, die ihren
Klang nicht verloren haben, nicht vernachlässigt werden.
Es
erscheinen täglich weit mehr Komposita als der Duden sie alle aufbringen kann
und der Bedürfnis nach neuen Schöpfungen ist groß. Auch wenn bei Ernst Jandl (,,schtzngrmm“)im
zwanzigsten Jahrhundert die Tendenz zum Kontraktieren (Anspannen) steigend war,
ist sie heute mehrfach zum Erweitern angestellt, so dass man weitere, langsilbige
Komposita zu formen vermag.
Auch
wenn das einunneunzigbuchstabenlange lautliche Wort: ,,Hottentottenstottertrottelmutterbeutelrattenlattengitterwetter-
kotterattentäterfangprämienempfänger“[11] noch heute nicht überstürmt wurde, wird sich
jemand finden, der(die) dieses Rekord auch bricht, obwohl die neue
Rechtschreibung Wörter zu trennen tendiert. Insofern könnte man haben:
Meerestiefeunterwassergeplärre, Bühnesteigefieber (anstatt Lampenfieber),
Leuchtgassewerbung, Tränenkummerhandtuchtrockner, Bienenstockschwarmsturmsturz
(oder -flug), Himbeermarmeladebrotstrichkostprobe,
Feuerzangenbohlemitternachtpartycrash ( oder-kater),
Ernährungswissenschaftunglaubwürdigkeitvernehmung,
Problemlösungschwierigkeitsgradinfragestellung, Schlagfertigemtaugenichtstapferkeitsmutprobehinstellung,
Kurzgeschichteaufnahmefähigenwendepunkt, Kleinkindschnullerlosigkeitgekeife
usw.
Schließlich
scheint die deutsche Sprache eine unendliche Schöpfungquelle an lexikale
Verbindungselemente, die immer wieder aufgenommen und analysiert werden müssen,
anzubieten. Sie können wahrscheinlich nicht alle in einer neuen Auflage des
Dudens aufgenommen werden aber irgendwie auch eher akzeptiert und sichtbar
gemacht, damit man an der Universität auch verschiedene Ausdrucksmängel oder
grammatikalische Verwirrungen klären oder vermeiden könnte.
Es
ist wahr, dass in unserer neuen stark technologisierten Welt noch wenig Platz
und Zeit für lyrische Schöpfungen bleibt, aber bei einem näheren Umfassen mit
der Sprache und ihrer etlichen Sprachschöpfungsmöglichkeiten, sei es denn wortartsverändernde
Mitteln durch Endungen, durch Präfixierung oder Suffixierung, durch
Komposition, mit oder ohne Bindestrich oder einfach die Änderung des
grammatikalischen Wertes, kann man feststellen, das sehr viel Schöpferisches
übrig bleibt.
Diesbezüglich
ist es empfehlenswert, neue schöpfungstüchtige Dichter zu befördern, so wie es
der Fall des neueren Dichters Uwe Lammla ist oder dann auch, diejenigen wie
Ernst Jandl, die eine Tendenz der Verkürzung, des Minimalisierens (im Sinne der
Postmoderne) zu feiern, d.h. ihre Schöpfung zu bejahen und als unmittelbar Teil
der deutschen, literarischen Geschichte einzugliedern. Ohnehin muss man
versuchen die literarischen Werte der oben erwähnten Schriftsteller bzw.
Dichterinnen (Hülshoff)zu betonen und schätzen lernen, weil sie klare,
deutungsvolle Kunstwerke der deutschen Literatur sind, und zugleich alle Sinne
des menschlichen Wesens in Bewegung setzt. Man vernimmt diese Gedichte mit viel
Freude und Interesse, dass sogar die eigenen Sinne und Schöpfungsquellen in
Regung gesetzt werden, so dass man mehr davon lesen möchte wie es der Fall von
Hülshoff ist, deren Gedichte ein Hauch von der Unendlichkeit und der Ruhe, des
inneren Gleichgewichts, bzw. Ebenmaß und Harmonie im klasischen Sinne
hervorrufen. ,,Mondesaufgang’’, ,, Der Säntis” , ,,Der Weiher” , ,,Der Traum”
und ,,Der Todesengel“ sind Gedichte, die die reine Schöpfungskunst der
Dichterin aufweisen und bejubeln. Daher hat man ein volles Mosaik an
literarischen, gelungenen Versen die jederzeit auffindbar, aufrufbar und
bemerkenswert sind. Die deutsche Sprache hat einen originalen, einmaligen Klang
der den Leser auch nach dem Lesen lange verfolgt. Daher kann man auch in dem
Bereich der Musik viele langlebende Lieder kreiren, die das Ohr aufmuntern und
zum inneren Lachen, Träumen oder sogar Schweben oder Weinen anregen. Wie sich
noch alles im Ganzen entwickeln wird, bleibt eine Frage der Zukunft.
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